21. Oktober 2011

"risk of sunburn, politicians ban sunrises" aka Rating Agenturen als Sündenböcke für planlose Politik



Liebe Gaby, 
auch wenn wir sonst oft einer Meinung oder zumindest auf derselben Wellenlänge sind, muss ich hier ein paar Worte zum Thema loswerden.
Dein Artikel beschreibt gut formuliert, ausführlich und informativ vieles zum Thema Rating-Agenturen, dafür auch (wie fast immer) ein Lob.

Wo er aber aus meiner Sicht erhebliche Defizite aufweist, ist im Bereich der Analyse des 

Verhältnis von Politik und Rating Agenturen:

Die Rating Agenturen haben sich nicht(!) selber so mächtig gemacht, 
wie es dargestellt wird, sondern es war eindeutig die Politik, 
die Ihnen ihre heutige Rolle verschafft hat. (#knieschuss)

Welche  Deppen Strategen haben denn 
Bilanzierungs- , Anlage- und vor allem Risikobewertungs-Regulierungen gebastelt 
( Stichwort Basel II oder demnächst Basel III), 
nach denen sich alle möglichen Finanzinstitutionen richten (müssen ) ?
Nicht nur Banken, sondern auch Versicherungen, Pensionsfonds und ähnliches.
Und wer hat in diesen Regelungen dann Rating-Anforderungen festgeschrieben ?

Das war das Werk von ökonomisch nicht sonderlich bewanderten 
(ich verkneif mir mal nen härteren Ausdruck)  Politikern und (EU-)Bürokraten, 
die diesen Kram verbrochen haben ( natürlich nicht ohne sich beraten zu lassen).

Man kann jetzt also beim besten Willen nicht sagen, dass Rating-Agenturen verantwortliche Politiker dazu gezwungen haben!
Doch ein Schuldiger scheint festzustehen: Es sind die Rating-Agenturen, die mit ihren Ratings der strauchelnden Euro-Staaten die Krise verschärfen.
Das Schlüsselwort hier ist "scheint" :

Der aufgeregte Aktionismus aus Brüssel (gern aufgegriffen von unseren nationalen Polit-*zensiert* ) ist jetzt aus meiner Sicht reine Ablenkungsstrategieum von den falschen (oder eher unterlassenen) politischen Entscheidungen der Vergangenheit abzulenken. 
Ende 2008/Anfang 2009 wär der richtige Zeitpunkt gewesen.

Zwei einfache Fragen reichen, um sich diesen Ablenkung-Unfug klar zu machen (wenn man sie ehrlich beantwortet):

1.) Würde eine europäische Rating-Agentur (bei der EU woauchimmer angesiedelt) zu anderen Bewertungen kommen und wie glaubhaft wäre das denn ? oder
2.) wie würde das bei einer "unabhängigen" Agentur in Europa aussehen, käme die bei europäischen Staatsanleihen wirklich zu anderen Schlüssen ?

(ausser Acht lass ich jetzt bewusst mal die Frage, ob Staatsanleihen überhaupt bewertet werden müssen;
Man kann natürlich Modelle diskutieren bei denen die EZB 
(als "currency issuer" oder auch "printer of last resort" - auf deutsch: die drucken das Zeug -) 
für die Rückzahlungen immer garantieren könnte, wenn man sie denn liesse.
Damit würden wir ein völlig neues Fass aufmachen)

Worüber man reden kann, ist die Quasi-Oligopol-Situation der 3 grossen US-Firmen, 
mir wären eine grössere Anzahl (10-15), eine andere geografische Verteilung und ein anderes Geschäftsmodell (s.u) deutlich lieber.

Was schlecht gehen wird, ist ohne jede Bewertung auszukommen.
Wenn man Ratings verbietet, macht man sich nur äusserst lächerlich 
( wir haben ja in DE in anderen Zusammenhang grad aktuell genug Leute, die das anscheinend brauchen #friedrich #uhl #fdp #usw).

Wie will man Meinungen / Meinungsäußerungen verbieten ?

Wirtschafts-Print-Medien zensieren/beschlagnahmen , 
die jeweiligen Online-Ausgaben blocken oder abschalten 
und dann noch weltweit alle Wirtschaftsblogs killen oder was ...?
(hart ausgedrückt, bewegt sich die Politik/EU da auf prä-digitalem #Friedrich-#China-Niveau oder drunter.)

Wie dieser "rating ban" in Fachkreisen bewertet und kommentiert wird, will ich mal nur auszugsweise darstellen. Ich selber schrieb heute zum Thema kurz:


*BREAKING* "risk of sunburn, politicians ban sunrises"

wobei das noch ein eher harmloser Kommentar ist.

Meine "evil friends" bei Zerohedge (US-Finanzblog, AbKüFi ZH) titelten 
(sich auf auf einen Artikel der ftd.de beziehend)

Such a ban could prevent ratings from being published at “inappropriate moments” that could have negative effects on the financial stability of nations as well as on the global economy, the proposal states, according to the German newspaper." Next up: ban on anonymous blogs whose disclosure of the truth could have "negative effects on the financial stability of nations as well as on the global economy...Full FTD report here. 
Read it before it has been "filtered" by Europe's commission on truth sterilization.
geniale Formullierung "Ministerium für Wahrheitsbeseitigung", 
könnte fast unseren Stasi-2.0-Strategen in der CDU-Fraktion eingefallen sein
(die üblichen Verdächtigen ).

Aus den Kommentaren bei ZH reichen ein paar kurze Auszüge 
(Tip, bei manchen Themen ähnlich unterhaltsam wie #fefe-rants)

"if truth hurts, render it illegal" Always works - NOT!
We recommend shorting the hell out of anything European you can get your hands on that is still legal to be shorted. Censor that, bitchez!Next up: every moment is inappropriate.
Much of this speech comes from outside EU jurisidctionSo, ban EU newspapers from printing the belated speech? That's going to work well when in the presence of the Internet ...
(speech=Bewertungs-Einschätzung)
Tyler, If they do I hope you're going to set up your own online Credit Rating Agency 
Gestapo, bitchez!

Mein absoluter Favorit:
Selling is only a symptom...Ban Math.
quasi Brüssel/Berlin auf Tea-Party-Niveau.

(disclaimer, ich hatte lange nicht so viel Spass, wie beim Lesen dieser Kommentare, manche Sachen lassen sich nur äquivalent auf engl. ausdrücken)

Auch beim täglichen Chat bei beim englischen Riesen-Finanz-Blog FT Alphaville hatten wir unseren Spass zu dem Thema, wenn auch mit etwas harmloserer Wortwahl:
(die 2 "Financial Times Alphaville" Kommentatoren (AbKüFI ftav) , die ich sehr schätze, dazu:)
BE Brilliant plan. Just brilliant.TT hah…that is some punchline – great comedy line
Kommen wir zum Ende:
Da Schuldner und nicht Investoren die größte Einnahmequelle der Agenturen darstellen, liegt hier die Gefahr eines Interessenkonfliktes nahe: Drohende Herabstufungen könnten zu Streitigkeiten oder gar einem Verlust der Gebühren zahlenden Schuldner durch Wechsel der Agentur führen. Deshalb wird oft kritisiert, dass Rating-Agenturen nicht unabhängig sein können.
Das schreibst Du völlig zu Recht und da liegt auch m.E der Ansatzpunkt:

Lasst doch die Investoren die Rating Agenturen bezahlen und verbiete das jetzige Modell.

Wer(als Investor) würde sich freiwillig als Kunde eine 
teure, unfähige und wohlmöglich korrupte (oder schlimmeres) 
Rating Agentur aussuchen ?
Ich bin schon immer  völlig bedient, 
wenn wir sowas im aktuellen deutschen Politik-Betrieb dulden.

#problem solved
#discuss

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