30. September 2011

Denn sie wissen nicht, was sie tun

schrieb das HB gestern in einer Überschrift ( ansonsten war dieser Artikel eher mau). 

Ich möchte hinzufügen: 
"Einige wussten schon, was sie tun, besonders Wolfgang Schäuble."
Sie haben's also getan, einen EFSF beschlossen, ohne genau zu wissen, wie dieser funktioniert und was er im Detail beinhaltet.

Das Handelsblatt schrieb gestern nicht ohne Hintergedanken:

Abgeordnete stimmen über eine „Blackbox“ ab (dieser Artikel ist wesentlich "ertragreicher")

Auszug:
Die EFSF-Abstimmung ist für die Abgeordneten ein Votum ins Ungewisse: Hinter den Kulissen wird längst diskutiert, mit welchen Tricks die finanzielle Schlagkraft des Fonds weiter erhöht werden kann - am Parlament vorbei.
Die Euro-Zone will das Volumen ihres Rettungsfonds EFSF mit einem finanztechnischen Trick vervielfachen – doch davon soll der Deutsche Bundestag möglichst wenig merken. Die Pläne für eine sogenannte „Hebelung“ des Fonds könnten womöglich die Kanzlermehrheit bei der heutigen Abstimmung über die EFSF-Reform gefährden, befürchtet Bundeskanzlerin Angela Merkel. Deshalb forderte sie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hinter den Kulissen auf, keine weitere Unsicherheit zu schüren. Berlin habe Barroso „dringend gebeten“, das heikle Thema in seiner Grundsatzrede zur Lage der EU am Mittwoch im Straßburger Europaparlament nicht zu erwähnen, sagte ein hochrangiger Vertreter der Euro-Zone.

Wer die Debatte gestern live verfolgte, konnte auch sehr gut beobachten, wie unsicher und nervös Schäuble reagierte, als es Nachfragen genau zu diesem Punkt gab.

Das ganze soll also die Richtung nehmen, über die ich als Gerücht:
Wir basteln uns einen richtigen Euro-Rettungsfonds
schon am 25.9.2001 spekulierte:
der EFSF soll "effizienter" (Politikerspeak/Sprachregelung) gestaltet werden, im Deutschen heisst das "gehebelt", "leverage" im Englischen.
Angedacht ist ein Hebel von 5:1, sprich aus 400 Milliarden macht man damit 2 Billionen.
Als ich dies gegenüber meinem geschätzten Bloggerkollegen egghat erwähnte, schmunzelte er nur und twitterte etwas von  "EU-Weicheiern" und "richtige Zocker/Bankster würden unter 10:1 gar nicht anfangen". 
(memo to myself, evtl. mal Zahlen der deutschen Bank verbloggen, damit man ein Gefühl für richtige Zocker bekommt, egghat hat absolut Recht mit "EU-Weicheiern", von DB oder Goldman Sachs lernen heisst siegen lernen - solange das mit den Bailouts klappt...)

Interessanterweise findet man eine noch klarere Analyse dessen, was Schäuble vorhat, nicht in deutschen Mainstream-Medien, sondern man sucht besser auf europäischer Ebene, wo man sehr schnell fündig wird:

Ambrose Evans-Pritchard, ein langjähriger - wenngleich ziemlich euro-skeptischer - Beobachter der europäischen Politik- und Finanzszene schreibt herrlichen Klartext in


Markets appear to be acting on the firm belief that he is lying to lawmakers, that there is indeed a secret plan, that it will be implemented once the inconvenience of the Bundestag’s vote on the EFSF tomorrow is safely out of the way,
and that German democracy is being cynically subverted.
The markets may or may not right about this.
Mr Schäuble has a habit of promising one thing in Brussels and stating another in Berlin.
(Übersetzung gern auf Nachfrage, google translate is your friend...)

Das ins Auge gefasste Konstrukt wird unter eingeweihten Wirtschaftsjournalisten schon 
als SIV / CDO - genaugenommen sogar CDO squared bezeichnet.
Ohne jetzt tiefer einsteigen wollen, kann man es auch einfach ausdrücken:
Man erwägt die selben Instrumente, mit denen man subprime Hypotheken gebündelt und vermarktet hat, nur das man diesmal nicht Hypotheken, sondern Staatsanleihen/Schulden bündelt.
Jeder dürfte wissen, wie gut das beim letzten Mal geklappt hat. Nicht.

Nach(!) der Abstimmung beobachtete dies auch die Süddeutsche - in einem Anfall journalistischer Aufmerksamkeit - absolut treffend:


Auch hier ein Auszug:
Tatsache ist: Zwei Disziplinen hat Schäuble bis zur Perfektion weiterentwickelt, wie die Euro-Debatte dieser Tage eindrucksvoll zeigt:
Rede so geschickt an der Sache vorbei, dass dir sogar gröbste Halbwahrheiten später nicht als Lüge ausgelegt werden können! Und: Diskreditiere die Motive deiner Gegner!
also: Danke an HB und SZ 
( wieso lob ich inzwischen eigentlich dauernd klassische Mainstream-Medien / MSM (?), wird noch zur Gewohnheit,  aber guter Wirtschaftsjournalismus hat es verdient, SPON eher nicht...)

(etwas) Offtopic für Englischsprechende: LOL OF THE DAY

Die geschätzen Blogger-Kollegen bei "Financial Times Blog Alphaville" - üblicherweise FTAV abgekürzt - 
haben einen genialen Wettbewerb mit einem netten Preis ausgeschrieben:


Ein Foto von Merkel und Kollegen während der EFSF-Abstimmung mit ihren Stimmkärtchen in der Hand,
Leser dürfen in den Kommentaren Bildunterschriften vorschlagen, bis jetzt ca. 240 Antworten.

Mein Beitrag: 
"german vote ended - Ackermann new chancellor" ,
weitere Auszüge:
"440 billion down. 2 trillion to come. Hanging out with friends? Priceless"
"Submissions contest for renaming the new Reich province, formerly known as Greece, please, not all at the same time."
"if only Heinrich (Brünning) could see me now"

"Merkel wins

E uropean
F ashion
S how
F estival"


"German MPs celebrate as Mrs Merkel announces her first Bunga Bunga party"

ansonsten hab ich beim Durchlesen der Kommentare definitiv Tränen vor lauter Lachen vergossen und fast eine Zwerchfellzerrung erlitten. Also: Betreten/Lesen auf eigene Gefahr.

2 Kommentare:

  1. Schade übrigens, dass die Wahlurne schwarz und rund ist. Schwarz und eckig hätte besser zur Blackbox EFSF gepasst ...

    Ich würde übrigens auch davon ausgehen, dass die nächste Version des EFSF gehebelt wird. Das ist zu nahe liegend ...

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  2. Schöne Zusammenstellung ;-)

    Die Aufstockung des #EFSF war ja nur deshlab erforderlich, um den Garantiesumme der AAA-Staaten auf den Finanzierungsrahmen von 440 Mrd € auszuweiten. Ohne diese Erweiterung gäbe es kein AAA-Rating für den EFSF.

    Lustigerweise haben sich die vereinigten Euroretter mit diesem EFSF in Abhängigkeit der Ratingagenturen begeben. Wenn S&P eines der AAA-Staaten (außer das hierbei irrelevante LUX) im rating abwertet, dann ist gleichzeitig auch das Rating des EFSF in Frage gestellt bzw kann nicht mehr bis zum maximalen Finanzierungsrahmen ausgenutzt werden. Bei einer Abwertung von Österreich, Finnland oder den Niederlanden könnte das AAA-EFSF nur dann gerettet werden, wenn die BRD den 20%igen erweiterten Garantierahmen über die 211 Mrd € hinaus, übernimmt.

    Das AA-Rating ist auch dann Futsch, wenn ein Hebel zur Vermehrung des Finanzierungsrahmens eingesetzt werden sollte.

    das ist alles mit heißester Nadel gestrickt und auf Hoffnung gebaut. Verantwortliche Politik ist anders.

    Gruß, Andena

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