20. August 2011

Wirtschaftsregierung/Eurobonds und alles ist in Butter? oder eher too little too late...?

Wo man nur hinschaut, tobt die Debatte zu obengenannten Themen. Aus meiner Sicht ist eine nur ökonomisch angelegte Diskussion des Themas zu eng angelegt, auch die absehbare politische Dynamik, die das Ganze hat und erst noch bekommen wird, sollte man mit einbeziehen.
Einen ersten Ansatz dazu liefert Henrik Kasper in einem hervorragenden Artikel bei Kantoos:
ryan-avent-und-das-gespenst-der-1930er-jahre
wobei er einen Artikel des "economist" aufgreift:
second-time-farce

Zwei Zitate:
"das Einführen der Gemeinschaftswährung mag dem europäischen Projekt mehr geschadet als genutzt haben, weil es Länder in wirtschaftliche Zwangslagen trieb, und ihnen zugleich die Politikinstrumente nahm um der Zwangslage zu entkommen." 
und
"Das politische Argument: wer will dass Europäer sich wieder hassen erreicht dies am zuverlässigsten mit der Rückkehr zu Gläubiger-/ Schuldnerbeziehungen zwischen europäischen Staaten, a la Deutschlands Reparationen nach dem ersten Weltkrieg."

Sätze, die einem echt Angst machen können (zumindest mir).

Eurobonds und europäische Wirtschaftsregierung zusammen genommen sind ein so vergiftetes Konstrukt (geworden?), daß man mit ihrer Einführung evtl. das ökonomische Chaos noch ein paar Monate/Wochen(?) hinausschieben kann, 
aber ich denke, der mit Ihnen politische verbundene Flurschaden wird auf lange Zeit nicht wieder gutzumachen sein.

Besonders deutlich ist mir dies bei der letzten Merkozy PK klar geworden, als ich den twitter-stream/die Kommentare von einigen (mir eigentlich recht besonnen vorkommenden) Wirtschaftskommentatoren während der PK lesen musste:

Beispiele:
welcome 4. german-french Reich
New German Bundesbank Gestapo in Brussels…
#Versailles for whole Europe

Die Idee einer Wirtschaftregierung nimmt Jens Berger auf und beschreibt sie ziemlich zutreffend als den Versuch einer neoliberalen Schocktherapie:

Ich hätte sie zwar als shock doctrine bezeichenet oder als neoliberalen feuchter Traum, aber das sind nur Nuancen.
Ich teile aber nicht seine naive Einschätzung, mit Eurobonds (s.u.) allein könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch etwas retten.

Ohne einen massiven Schuldenschnitt/haircut mit folgender Rekapitalisierung des europäischen Banksystems (Nationalisierung/Staatsbeteilung) wird es nicht abgehen und den betreffenden Staaten nicht dauerhaft geholfen.  
Im selben Rutsch kann mann dann auch die fällige erzwungene Trennung in normale Geschäftsbanken (incl. Einlagensicherung) und Investmentbankster vornehmen, wobei danach klar sein sollte, das letztere danach ruhig pleite gehen können, TBTF ist entgültig vorbei.
Das Thema Rekapitalisierung der EZB, die z.Zt. massig Anleihen aufkauft, müsste man mal gesondert behandeln,  demnächst einige hundert Giga€ Anleihen (mit erheblichem Abschreibungsbedarf) in den Bilanzen wird kein wirklich schönes Thema und dürfte dann für nächsten politischen Sprengstoff sorgen ( den insbesondere deutsche und französisch Politiker aktuell noch verschweigen).

Ein erstes, bedauernswertes Beispiel für die Wirkung dieser shock doctrine zeigen die Zahlen aus Griechenland, nachdem die Griechen sich auf das klassische "IWF-/EU-Sparen-um-(wirklich)-jeden-Preis" eingelassen haben/einlassen mussten:
und die dort folgenden Artikel zu Griechenland.

Wobei man den IWF aus aktueller Sicht eher etwas in Schutz nehmen muss, so durchgeknallt neoliberal wie in den 80/90-er Jahren stellt er sich heute gar nicht mehr da z.B.:
bzw. Simon Johnson googlen hilft auch.
Anderen Staaten kann und sollte das eher ein warnendes Beispiel sein, sich nicht auf jeden Wirtschaftsregierungs-Unfug einzulassen, für Portugal und Irland (demnächst Spanien/Italien/Frankreich?) scheint es mir schon fast zu spät, die sind wohl schon auf dem Weg in mindestens eine "lost decade".

Wo ich mit Jens Berger nicht konform gehen kann, ist seine (etwas naive?) Beurteilung von Eurobonds, für einen gut lesbaren, wenn auch parteischen Überblick siehe:

Meine Hauptargumente gegen Eurobonds sind folgende:
a) lösen sie nicht das Problem Höhe der Staatsverschuldung einzelner Länder (s.o. ohne Schuldenschnitt gehts nicht).


b) man kann über mögliche Zinssätze für Eurobonds (blue/red) fundiert nichts aussagen. Natürlich kann man einfach behaupten, der Zinssatz würde sich gegen über deutschen Staatsanleihen gar nicht verändern, aber ich halte das für eine optimistische und intellektuell nicht redliche Behauptung.
(bin dabei eigene Berechnungen/Abschätzungen anzustellen, die enden ca. bei 10-20 Giga€ Mehrbelastungen für Deutschland).

c) Eurobonds alleine ändern in keinster Weise die Frage Wettbewerbsfähigkeit oder Perspektiven der betroffenen Länder.
Deutschland versucht das mit Ostdeutschland seit 20 Jahren und erheblichen Geldeinsatz mit sehr bescheidenem Erfolg, Italien seit X Jahren mit dem Mezzogiorno. 


d) Auch bleibt das oft erwähnte/analysierte und von allen Eurobondsbefürwortern  dann jetzt auf einmal schlagartig ignorierte Thema unausgeglichene Handelsbilanzen bliebt völlig offen.
Soll ganz Europa auf einmal "Exportweltmeister" werden ?... selten so gelacht ihr Strategen...

Zurück zur politischen Ebene, mein Horror:
Schwarz-Geld zerlegt sich an der Eurobondsfrage,
die Mövenpicksteuersenkungsillusionistenteaparty holt sich Sarrazin an Bord und macht einen auf nationalpopulistische "DM, DM über alles-Retter" .
Und kommt bei den fälligen Neuwahlen damit wieder in den Bundestag (Wahlbeteiligung insgesamt 40% ?). 
SPDCDUGRÜNE basteln sich - wie auch immer- eine Koalition, beschliessen tapfer die Eurobonds und versuchen 4 Jahre gegen ein Bild/Spiegel/FDP-sonstwas-verblödetes Volk zu regieren...

nennen wir es Weimar reloaded.

Demnächst: Retten, was zu retten ist ? 

Gerade als (bekennender!)Europa-Freund/Fan kann man sich schonmal Gedanken machen, ob es ausser Game Over im Chaos evtl. noch halbwegs diskussionswürdige Lösungsansätze gibt

Break the euro zone in two | Credit Writedowns
und (mein absoluter Favorit, ein junger Blogger aus Zypern mit der besten, fast täglich aktualisierten Darstellung der Eurokrise, die ich bis jetzt gefunden habe):
http://protes-stavrou.blogspot.com/

edit : -Tippfehler, Zeichensetzung

3 Kommentare:

  1. Ich bin ja nur eine einfach gestrickte eifeler Hausfrau. Da kommt mir noch die Idee, wie man denn die Wirtschaft eigentlich ohne steigende Reallöhne ankurbeln will? Das Kaputtsparen wird mir zu wenig wichtig genommen, denn Wirtschaftsunternehmen funktionieren nicht als perpetuum mobile. Ist aber wahrscheinlich zu einfach gedacht.

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  2. http://www.tagesspiegel.de/meinung/die-welt-ist-aus-den-fugen/4523422.html

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  3. "Zurück zur politischen Ebene, mein Horror:
    Schwarz-Geld zerlegt sich an der Eurobondsfrage, die Mövenpicksteuersenkungsillusionistenteaparty holt sich Sarrazin an Bord und macht einen auf nationalpopulistische "DM, DM über alles-Retter"

    So unwahrscheinlich sind zumindestens Teile davon nicht. ;)

    Das Tragische an dem obigen "Horroszenario" ist eigentlich nicht, dass es so kommen wird, sondern dass diese deutsche TeaParty nicht aus Einsicht in den Irrweg Euro von diesem abwenden wird, sondern aus Angst, die weichen Parlamentspupssessel räumen zu müssen.

    Und wetten? Nach der Wahl wird sie dann genauso selbstverständlich wieder munter das Loblied auf den Euro trällern.

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